Dampfbremsen - Wann welche???

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Dampfbremsen - Wann welche???

Ingenieurbüro Kalin
Veröffentlicht von Jens Kalin in Feuchteschutz · 21 November 2020
Und wieder ein Thema, welches in meinem Alltag häufig vorkommt.

WANN BENÖTIGE ICH WELCHE DAMPFBREMSE IM DACHAUFBAU??

Da stellt sich mir erst einmal die Frage, was es überhaupt für Dampfbremsen gibt??
Die m.E. noch am häufigsten verbaute Dampfbremse scheint mir eine Polyethylen (PE)-Folie zu sein, die einen sd-Wert von > 100m besitzt.
Diese Bahnen berate ich eigentlich aktiv nicht mehr für ein "normales" Schrägdach. Sie ist da nicht verboten, aber es gibt halt mittlerweile Bahnen, die wesentlich besser funktionieren. Ich nenne diese PE-Folie im weiteren Verlauf liebevoll die Plastiktüte.
Ich vergleiche es auch gerne mit einem "Friesennerz", der gelben, festen und ungemütlichen Regenjacke, die ich als Kind auch noch zum "Spielen" tragen musste.
(nein, das bin nicht ich :-))

Auch wenn es nicht geregnet hatte, war man nass und feucht, als man nach Hause kam.
Heutzutage spielen Kinder überwiegend in Funktionsjacken, die atmungsaktiv sind, den Wind nicht hereinlassen, dafür aber den inneren Dampf herausführen können.
Und im Dach, unter dem wir wohnen und leben, baue ich diese Plastiktüte ein??!!!???!!!
Warum??    Ich verrate warum,..... weil sie unheimlich günstig ist und schon seit langer Zeit im Markt etabliert ist.
Ich schätze, wenn man in einem "normalen"  Einfamilienhaus-Neubau mit Schrägdach (ca. 150qm) auf eine höherwertige Bahn umschwenkt, würden sich die Gesamtbaukosten etwa zwischen 200,- u. 300,- € erhöhen. Das ist m.E. nicht viel für ein Bauteil unter dem wir unser weiteres Leben verbringen wollen. Dafür hat man dann im Dach eine Art Funktionsjacke und keinen Friesennerz.
(auch dies ist ein Dach, aber nur temporär, da reicht dann auch eine Plastiktüte :-) ; das bin ich übrigens auch nicht :-))  

Was sind das dann für "Funktionsbahnen"??
Bahnen aus anderen Materialien, die immernoch luftdicht sind, aber im Verhalten gegenüber Wasserdampfwanderung enorme Vorteile haben.
Da ich ein Freund von diffusionsfähigen Konstruktionen, und das in alle Richtungen bin, spielt in meinen Beratungen die Plastiktüte halt nicht mehr die Hauptrolle.
Sie besitzt einen sd-Wert > 100m, dies bedeutet, dass sich diese Bahn gegenüber einer Wasserdampfwanderung so verhält, als wären da 100m Luft. Der Dampf muss also theoretisch 100m Luft überwinden. Dies ist schon sehr viel und somit  ist die Plastiktüte schon ziemlich "dicht".
Wenn es praktisch möglich wäre, dass man einen Feuchteeintrag im Dach wirklich zu 100% verhindern könnte, dann wäre so eine dichte Plastiktüte noch gar nicht mal schlecht. Die Praxis zeigt aber, dass diese 100%ige Verhinderung von Feuchteinträgen einfach nicht immer möglich ist. Und wenn dann Feuchtigkeit in die Konstruktion kommt, dann kommt sie bei dichten Folien halt nicht mehr heraus.
Dafür gibt es dann Bahnen aus z.B. Polypropylen (PP), diese sind oftmals noch robuster und weisen sd-Werte auf, die wesentlich geringer sind. Oftmals genügen dabei sd-Werte von 2m. Das bedeutet hier muss der Wasserdampf "nur" eine äquivalente Strecke von 2m Luft überbrücken. Hier kann also eine Rücktrocknung in den Raum hinein schon erfolgen.
Als weitere Bahnenversion gibt es dann Bahnen mit einem PA (Polyamid)-Anteil. Diese Bahnen sind in der Lage auf Luftfeuchtigkeiten zu reagieren und ihren sd-Wert danach einzustellen. Man spricht von feuchtevariablen Bahnen. Diese Bahnen haben ein noch höheres Rücktrocknungspotenzial und können ihren sd-Wert bis auf ca. 0,2m herunterfahren.
Aber wann nimmt denn nun welche Bahn???
Um das wirklich genau sagen zu können, muss im Vorfeld geklärt werden, ob die Konstruktion auch nach aussen hin diffusionsfähig ist.
Das heisst, dass evtl. eindringende Luftfeuchtigkeit, in Form vom Wasserdampf, auch nach aussen hin abgeführt werden kann. Dies ist in Neubauten mit Schrägdächern über eine diffusionsoffene Unterspannbahn und eine unterlüftete Dacheindeckung gegeben. In der Sanierung von Schrägdächern können da schonmal Materialien auftauchen, die nicht so diffusionsfreudig sind. Zum Beispiel alte Gitterfolien oder es gibt überhaupt keine Unterspannbahn und man blickt auf eine alte verschmierte Dachpfanne. Hier sollte man m.E. einen Kontakt mit der neu einzubringenden Dämmung vermeiden und eine Hinterlüftung von ca. 4cm zwischen Dämmung und Folie/Dachpfanne mit einplanen. Diese sollte dann auch Luftein- u. austrittsöffnungen besitzen.

Also,.......wenn das Dach die Möglichkeit besitzt, nach aussen Wasserdampf auszudiffundieren oder über eine Belüftungsebene abzuführen, würde ich hier eine Bahn mit einem sd-Wert von ca. 2m empfehlen.

Bei abgedichteten Dächern, wo der Wasserdampf nach aussen nicht, oder nur sehr schlecht weg kann, kommen i.d.R. feuchtevariable Bahnen zum Einsatz, da diese in der Lage sind, das Bauteil nach innen hinein austrocknen zu lassen. Da diese Funktion aber von etlichen Rand-parametern abhängig ist, sollte ein abgedichtetes Dach immer mit einer Vorplanung und evtl. notwendigen Feuchteschutznachweisen realisiert werden.

Viel Spaß beim Bauen!!!!




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